68 lines
5.3 KiB
Markdown
68 lines
5.3 KiB
Markdown
Title: Cella 1672
|
|
Date: 2021-11-26 17:12
|
|
Tags: Cella1672
|
|
Author: Sven
|
|
|
|
Cella 1672, das historische, untergärige Kellerbier
|
|
|
|
![Sixpack unseres Cella 1672]({static}/img/cella_sixpack.jpg)
|
|
|
|
Manche Biere haben eine etwas längere Vorgeschichte, so wie unser Cella 1672. Die wollen wir Euch natürlich
|
|
nicht vorenthalten.
|
|
|
|
Angefangen hat alles damit, dass Dr. Mathias Hutzler vom [BLQ Weihenstephan](https://www.blq-weihenstephan.de)
|
|
in einer 70 Jahre alten Bierflasche eine wilde Hybridhefe gefunden hat, und bei der Überprüfung ihrer Eigenschaften feststellte,
|
|
dass dieses Hefe auch im untergärigen Temperaturbereich gute Biere erzeugen kann. Er kam auf uns zu und fragte,
|
|
ob wir mit ihm ein Bier mit dieser Hefe brauen wollen. Natürlich haben wir sofort zugesagt, und dann lange
|
|
diskutiert was es denn für ein Bier werden sollte. Relativ schnell war klar, dass es ein eher dunkles Bier werden
|
|
soll, da das wunderbar zur Aromatik der Hefe passt. Das hat uns zumindest der Mathias so gesagt, und wir mussten ihm
|
|
glauben, da wir die Hefe ja noch nicht kannten. Im nachhinein stellte sich raus, dass er damit Recht hatte.
|
|
|
|
![So schön kann brauen sein. Vorderwürze wirft Blasen.]({static}/img/blubber.jpg)
|
|
|
|
In der Diskussion ging es dann recht schnell in die Richtung, dass wir ein eher historisches Bier brauen wollten,
|
|
da die Vermutung war, dass vor dem Einsatz von Reinzuchthefen in der Brauerei öfters solche Wildhefen Teil der Gärung waren.
|
|
An diesem Punk der Rezeptfindung kam dann Dr. Martin Zarnkow um die Ecke, mit einem Bierrezept, welches er in einem Buch von 1672
|
|
entdeckt hatte. Jetzt war es unsere Aufgabe, um aus dem alten Bierrezept und der wilden Hefe ein Rezept zu erstellen, das auf der
|
|
einen Seite nah am historischen Original ist, andererseits aber sowohl lebensmitelrechtlichen Vorschriften, modernen
|
|
Konsumgewohnheiten und unseren technologischen Möglichkeiten entspricht.
|
|
|
|
Laut diesem Rezept wurde damals das Malz mit kochendem Wasser überbrüht, und dann unter Rühren mit fallenden Temperaturen
|
|
ohne weiteres Heizen gemaischt. Da hat man dann als Brauer schon Bauchschmerzen, da es allem widerspricht was man denn so
|
|
in Lehre und Studium gelernt hat. Aber es muss ja funktioniert haben, obwohl die Malze in der damaligen Zeit höchstwahrscheinlich
|
|
um einiges enzymschwächer waren als unsere heutigen Malze. An Malzen haben wir einiges an Wiener und dunklem Malz verwendet,
|
|
aber auch etwas Pilsener Malz, sowie "Steffi" Malz, zwar nicht historisch, aber doch eine etwas ältere Gerstensorte, weil
|
|
wir mit den Enzymen schon auf der sicheren Seite sein wollten.
|
|
|
|
Beim Läutern mussten wir dann von der historischen Vorgabe abweichen, und haben nicht über Holz und Stroh abgeläutert, sondern
|
|
haben dies in unserem normalen Läuterbottich erledigt, in dem wir direkt eingemaischt hatten. Ab hier mussten wir generell etwas weiter
|
|
vom Original abweichen. Während in dem alten Rezept zuerst nur ein drittel der Würze mit dem Hopfen gekocht wurde, und erst nach
|
|
einiger Zeit der Rest der Würze dazugegeben wurde, haben wir gleich alles gekocht. Auch haben wir am Ende der Kochung die Würze nicht
|
|
über Körbe geseiht. Der Doldenhopfen wurde in Kochsäcken mitgekocht dann entfernt und der Rest der Trübung über den
|
|
Whirlpooleffekt ausgeschieden.
|
|
|
|
![Mathias gibt seine Cella Hefe]({static}/img/hefegabe.jpg)
|
|
|
|
Gekühlt haben wir dann auf 26°C und bei dieser Temperatur mit der [Cella - TUM 594](https://www.blq-weihenstephan.de/fileadmin/pdf/Mikroorganismen/Hefen_De/Cella_-_TUM_594.pdf)
|
|
angestellt. Für die Gärung wollten wir einen alten Keller simulieren. Dazu haben wir im Vorfeld einen kleine Kühlkammer gebaut, in
|
|
die genau unsere Gärtanks hineinpassen, mit einem kleinen Kühlaggregat. Leider war die Steuerung des Aggregates ziemlicher Schrott,
|
|
so dass während der Sud schon lief, ich noch schnell eine neue Steuerung programmieren und verkabeln musste, die dann auch eine
|
|
Abtauautomatik hat. Das hat nämlich in der originalen Steuerung gefehlt. Merke, eine vereiste Kühlung kühlt nicht mehr.
|
|
|
|
![Unsere Kühlbox während der Inbetriebnahme]({static}/img/gaerkeller.jpg)
|
|
|
|
Wenige Tage nach Beginn der Gärung wurde das Bier dann damals schon ausgeschenkt, und zwar ungespundet. Damit unser Bier etwas länger haltbar
|
|
ist, haben wir an die Gärung noch eine Flaschengärung angehängt, aber mit minimaler Speisegabe, damit wir mit unserem Bier noch sehr nahe
|
|
am originalen ungespundeten Geschmack sind, aber die Hefe doch den verbleibenden Sauerstoff in der Flasche verbraucht, damit unser Cella
|
|
eine Haltbarkeit nicht nur von ein paar wenigen Tagen hat.
|
|
|
|
Aber wie schmackt das Ergebnis denn jetzt? Das Bier hat eine angenehme Vollmundigkeit, obwohl es von der Stammwürze her ein Schankbier ist, und
|
|
mit einem extrem niedrigen Endvergärungsgrad(EVG) von 39% auch nur 2,2 vol.% Alkohol besitzt. Trotz des niedrigen EVG ist das Bier aber weder mastig
|
|
noch süß. Die Cella Hefe bringt passend zu der röstaromatischen Grundlage der dunklen Malz noch fruchtige Noten und etwas Vanille dazu.
|
|
Allen Beteiligten schmeckt das Ergebnis. Wir hoffen, dass es unseren Kunden auch so geht.
|
|
|
|
Pia, die Frau hinter unserem kompletten Design, hat es geschafft, die mikroskopischen Aufnahmen der Hefezellen in Pixelgrafik zu überführen.
|
|
Das Logo zum Bier stellt diese Mal also drei Zellen der Cellahefe dar.
|
|
|
|
Dank an dieser Stelle an Mathias, Martin und Pia, für die tolle Zusammenarbeit!
|